| Software | Support | Kritik&Kommentare | Luhmann-Links | Shop | Kontakt | |
||
Feedback
|
Das
Ende der parlamentarischen Demokratie? Es ist ein grandioser Film mit großartig agierenden Schauspielern,
ausgezeichnetem Tempo, logisch erscheinendem Irrsinn, herausragender Musik
und Dialogen, die an Treffsicherheit und Biss kaum zu überbieten
sind (das musste an dieser Stelle einfach mal gesagt werden). 1) Fabel: Wie Conrad
Brean dem Präsidenten eine zweite Amtszeit sicherte
Fabel: Wie Conrad Brean dem Präsidenten eine zweite Amtszeit sicherte Nur zwei Wochen vor den Wahlen zur zweiten Amtszeit wird eine mögliche
Affäre des Präsidenten mit einer Schülerin zum potenziellen
Medienskandal. Hilfe naht in Person des ominösen Kommunikationsmanagers
Conrad Brean (Robert De Niro), der gar nicht erst versucht, die vermutete
Affäre auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu untersuchen: „Ist doch
unwichtig, ob sie wahr ist. Es ist eine Story, sie kommt raus, sie werden
sie bringen“. Präsidentenberaterin Winifred Ames (Anne Heche), deren größte
Sorge ihr abzuzahlender Hauskredit ist, reagiert geschockt: „Aber
die werden es doch herausfinden“, flüstert sie im Flugzeug.
Vier Stunden Schlaf später hat er auch den passenden Kriegsgegner
gefunden: Albanien. Weil man sich einen echten Krieg nicht leisten kann und will wird ein virtueller Krieg in Bilder gesetzt. Unter Einbeziehung des eitlen, erfolgreichen, wenngleich unbekannten Hollywood-Produzenten Stanley Motss (Dustin Hoffman) werden Kriegsszenen im Studio gedreht und als Filmstreifen den Networks zugespielt. Garniert mit weiteren Medieninputs der Produzentengruppe („alles Könner“) verdrängt die Kriegsnachricht umgehend die Präsidentenaffäre. Aber die nicht eingeweihte CIA, der das Ganze allmählich zu bunt
wird, beendet den Krieg kurzerhand: „Ich habe gerade die Nachricht
erhalten, dass die Krise in Albanien beigelegt ist“, verkündet
der Gegenkandidat des Präsidenten im Fernsehen unter Bezugnahme auf
CIA-Quellen. Eigentlich könnte damit nach 45 Minuten der Film vorbei und der
Glaube an die Wahrhaftigkeit der Institutionen und deren Selbstheilungskräfte
gerettet sein – aber jetzt kommt die große Stunde des Hollywood-Produzenten:
„Der Krieg ist erst vorbei, wenn ich sage, dass er vorbei
ist. Das hier ist mein Film und nicht der Film der CIA.“
Zwar stellt sich heraus, das der per Telefon und nur mit Blick auf seinem
Namen („irgendwas mit Schuh“) ausgewählte Schumann eigentlich
psychisch gestört ist, doch für Motss ist das kein Problem:
„Wenn Sie sich die Vorgeschichte ansehen, dann kehrt der Mann von
Fronteinsatz und Folter zurück.“ Und wie wird sein Gefängnisaufenthalt
erklärt? Motss, beinahe gelangweilt: „In seiner Akte steht,
dass er im Gefängnis war. Und solche Tarngeschichten stehen in den
Lebensläufen aller Männer und Frauen der Gruppe 303, und zwar
wegen der damit verbundenen Geheimhaltung.“ Der Präsident gewinnt grandios die Wahlen, Brean geht kondolieren und Ames behält ihren Job und kann weiter ihr Haus abbezahlen. Und in den Nachrichten geht es weiter, als wäre nichts geschehen.
Analyse: Das systemtheoretische Skript Der etwas seltsam klingende Titel wird dem Film vorangestellt: „Warum
wackelt ein Hund mit dem Schwanz? Weil der Hund schlauer ist als sein
Schwanz. Wäre der Schwanz schlauer, würde er mit dem Hund wackeln“,
was allerdings nur wenig erklärt. Zunächst: Dieser Film ist eine Fiktion, was im Zeitalter der Verschwörungstheorien (CIA und Energiekonzerne als Drahtzieher von 9/11, die Amerikaner waren nie auf dem Mond, sondern ebenfalls nur in Hollywood usw.) nicht oft genug betont werden kann. Aber „Wag The Dog“ folgt im eigenen Skript der Vorstellung verschiedener Systeme (hier das politische, das publizistische, das Wirtschafts-, Kunst- und das Rechtssystem), die in eigenen Kommunikationsmedien nach eigenen Regeln kommunizieren und deren Organisationen (hier der persönliche Stab des Präsidenten mit dem Spin Doctor, ein Film-Produktionsteam, die CIA, große Fernsehsender) mehr oder weniger erfolgreich versuchen, die Kommunikationen in den einzelnen Funktionssystemen und die Öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Mediensystem und Öffentliche Meinung Wenn wir im folgenden vom „Mediensystem“ sprechen, so ist
das publizistische gemeint, nicht die technischen Verbreitungsmedien Zeitung,
Radio, Fernsehen usw. Das publizistische Mediensystem als „Funktionssystem
besonderer Art“ (Politik der Gesellschaft: 304) operiert unter dem
Code Information/Nichtinformation. Das mediale Substrat sind Einzelereignisse,
die wiederum über Programme (Nachrichten, Berichte, Reportagen...)
in Formen gebracht werden. Die dabei notwendige Entscheidung (was gilt
als Information und was nicht) ist von internen Selektionskriterien (lokale
Nähe, Bedrohung, Prominenz, Reichweite...) abhängig. [Einschub: Die Funktion des Mediensystem besteht neben dieser Herstellung des Mediums Öffentliche Meinung aber auch in der Unterhaltung und in der Bekanntgabe von Interessen (Werbung) (Politik der Gesellschaft: 310). So ist der vorliegende Film einerseits Beitrag für die Öffentliche Meinung, aber zugleich Unterhaltung. Manche Filme sind sogar darüber hinaus auch noch Bekanntgabe von Interessen]. Diese vom Mediensystem produzierten und verbreiteten Beobachtungen zweiter
Ordnung (Beiträge) bilden wiederum das mediale Substrat der Öffentlichen
Meinung (Luhmann bezeichnet sie als Resultat der strukturellen Kopplung
von Politik und Medien, als ein „Medium eigener Art, ein Medium
für ein Beobachten zweiter Ordnung“ (Politik der Gesellschaft:
287)). Damit ist die Öffentliche Meinung das, was die Öffentlichkeit als Öffentliche Meinung zu akzeptieren bereit ist und nur unter dieser Prämisse empirisch feststellbare „Realität“. Aus Sicht der Politik dient sie der Vorbereitung (Testen und Verdichten) kollektiv bindender Entscheidungen. Da sie aus verschiedensten Kommunikationen resultiert, könnte man eine einzelne, mit entscheidenden Veränderungen einhergehende Kommunikation auch als Manipulation bezeichnen (sofern sie mit einer bestimmten Intention verbunden ist), doch dies betrifft streng genommen alle „Inputs“. [Einschub: allerdings resultiert aus dieser Manipulationsabsicht auch der Begriff „Spin Doctor“ als ein Akteur, der mit eigenen Inputs der Öffentlichen Meinung einen bestimmten „Dreh“ geben möchte]. Wir verwenden mit Luhmann lieber den Begriff der „Inszenierung“
(Politik der Gesellschaft: 296), da „Manipulation“ bereits
eine moralisch aufgeladene Kommunikation darstellt. Im Film konzentriert sich der Spin Doctor auf Ereignisproduktion (Beiträge und Themen), da er die Schemata der Öffentlichen Meinung, gut zu kennen glaubt: Ein Krieg führt in der Regel zu Unterstützung der Regierung (und damit des Präsidenten), ein Held zur Identifikation mit seinem Handeln, offizielle Dementis bezüglich geheimer Waffenprogramme eher zu einer augenzwinkernden Annahme des Gegenteils. Die Publizistik, im Film in der Rolle eines trotteligen Schafes, nimmt sämtliche Inszenierungen in der gewünschten Zielrichtung auf, Conrad Brean hat die ganze Zeit eigentlich nur mit internen Problemen zu kämpfen. Zu keinem Zeitpunkt denkt irgend einer der Beteiligten in dem Film daran,
den Medien „reale Wirklichkeit“ mitzuteilen, vielleicht, weil
diese es ohnehin nicht dafür halten würden. Der systemtheoretische
Grund besteht jedoch darin, dass die Öffentliche Meinung einerseits
eher sachlich orientierte Themen präferiert (im Gegensatz zu jenen
mit Motivverdacht) und andererseits die Publizistik eher konfliktorientierte
Themen kommuniziert. [Einschub: Der Film, vor der Lewinsky-Affäre gedreht, nimmt scheinbar Collin Powells seltsame Argumentation im UN-Sicherheitsrat vorweg. Aber gerade letzteres endete für die (eventuell vorhandenen) Spin Doctors im Fiasko, die USA haben im Sicherheitsrat und in der Welt erheblich an Glaubwürdigkeit eingebüßt, was im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm schlicht katastrophal zu nennen ist.] Der Motivverdacht schwebt über allen Inszenierungen der Öffentlichen
Meinung und verdichtet sich bei den Inszenierungen bestimmter Organisationen
und deren Mitgliedern, ganz gleich welches Thema sie kommunizieren: Interessenverbände,
Geheimdienste, Diktaturen, Verkäufer, vielleicht auch und gerade
Politiker. Ein wichtiges Arbeitsfeld von Lobbyisten besteht gerade darin,
die eigenen Produktionen „unter fremder Flagge“ zu kommunizieren,
also eben nicht den wahren Absender anzugeben, um dem Motivverdacht zu
entgehen. [Einschub: Nicht von ungefähr startete kürzlich die Energiewirtschaft eine sachlich aussehende Informationskampagne über allgemeine Rohstoffpreisentwicklungen, als Kritik an ihren Preisen zum Thema wurde.] Damit ist freilich nicht gesagt, dass ein sachlich erscheinendes (!) Thema auch rational (im Sinne einer Zweck-Mittel-Konstruktion) sein muss – es ist ein Skript, und enthält ganz sicher auch nicht-intendierte Folgen. Es ermöglicht lediglich Fortsetzung von Kommunikation; es trivialisiert Wirklichkeit. Wie weit das gehen kann, zeigt der Film: Aus der ursprünglichen Idee des virtuellen Albanienfeldzuges wird ein Einzelschicksal, ein Held, der dann am Ende tragisch im fahnenbedeckten Sarg endet. Das Skript wird ständig geändert (in sich vollkommen logisch), es bleibt sachlich orientiert (liefert stets rationale Gründe) und ermöglicht zu jedem Zeitpunkt die Fortsetzung der Kommunikation. Dies auch anzugehen ist die Arbeit des Spin Doctors. Dass dieses agenda setting im Film stattfindet, ist nach dem Skript drei Dingen geschuldet: Einmal gelingt über eine absolute Geheimhaltung (die „in Wirklichkeit“ allerdings schwerer einzuhalten ist, zumal dann, wen ein komplettes Studio-Team beteiligt ist), den Motivverdacht gar nicht erst aufkommen zu lassen. Zweitens stellt die Arbeit von Brean und Motss eine tatsächlich perfekte Inszenierung dar und drittens scheint in den USA das Thema des nationalen Überlebenskampfes gegen den Rest der Welt derart zu dominieren, dass eine sachlich erscheinende Operationalisierung möglich ist (ähnliches konnte man im deutschen Herbst 1977 beobachten).
Das Produzenten-Team als Organisation Das Team um Produzent Motss ist selbst Bestandteil des Mediensystems
und trägt – auch wenn es ad hoc zusammengestellt wurde –
organisatorische Züge. Es kann also mit den Medien verschiedenster
Kommunikationssysteme (Wirtschafts-, Medien-, und Kunstsystem) kommunizieren.
Primär dominiert die Kommunikation im Mediensystem, also die Themensetzung
der Öffentlichen Meinung. Aber gleich an zweiter Stelle folgt die
wirtschaftliche Kommunikation, das product placement, dafür werden
sie bezahlt, dafür werden Sponsoren organisiert. Die Themensetzung der Öffentlichen Meinung ist jedoch das Hauptgeschäft.
Das Team benötigt einen passenden Song, ein öffentlich wahrnehmbares
Image. Sie produzieren Emotionen und suchen Anknüpfungspunkte an
vorhandenen: Es sind Medienprofis, Künstler und Verkäufer, keine Politiker.
Gegenüber dem offiziellen Werbespot („Wechsle nicht die Pferde
auf halber Strecke“) haben die Profis nur Verachtung übrig:
der sei „billig gemacht“. „Warum halten sie an dieser
uralten Pferdescheiße fest? Wer engagiert solche Leute?“ Denn
die Werbekommunikation hat längst andere Standards etabliert.
Das Kommunikationsmedium der Politik, (Amts-)Macht, wird von „kritischen“ Kommentaren bis heute eher als Entstellung, denn als Kennzeichen politischer Systeme behandelt. Maximal gilt es schulterzuckend als letzter, zynischer Beweis tatsächlicher Verhältnisse im Gegensatz zu den hochzuhaltenden, normativen Idealen. Ein Machtpolitiker ist dieser Lesart nach nicht nur abzulehnen, er verstößt geradezu gegen die ungeschriebenen Grundsätze der Diskurskultur. Dabei bleibt dieser Vorstellung weitgehend fremd, dass sich erstens ein Problem von möglicherweise hartnäckigem Dissens am Ende auch nur mit überlegener physischer Gewalt lösen lässt und zweitens überlegene Diskurs- und Durchsetzungsfähigkeit ebenfalls Macht darstellt. Aber die Akzeptanz eines politischen Kommunikationsmediums Macht bedeutet nicht, dass sämtliche Konflikte des politischen Systems direkt mit Machtmitteln gelöst werden. In funktionierenden Demokratien ist dies sogar eher die Ausnahme. Hier verlagert sich der Konflikt vielmehr auf einen Kampf um die Öffentliche Meinung, der manchmal, wie im vorliegenden Film, auch mit machtvollen, illegalen Mitteln geführt wird. Damit Conrad Brean überhaupt anfangen kann, Themen der Öffentlichen Meinung zu inszenieren, benötigt er als erstes selbst Macht. Er bekommt sie vom Präsidenten übertragen und hat damit dessen Weisungsbefugnis, dessen Apparat und nicht zuletzt reichliche finanzielle Mittel zur Verfügung. Was er nicht per präsidiale Weisung erreicht, kann er kaufen – z.B. ein Produzenten-Team. Nur zwei Dinge kann er nicht auf direktem Wege kaufen: den superreichen Stanley Motss und die Öffentliche Meinung. Während er den prestigesüchtigen Motts über Schmeichelei, präsidiale Aura und das Versprechen auf eine ungeahnte Herausforderung erreicht, hängt der Erfolg der medialen Inszenierung von seiner eigenen Professionalität ab – nämlich von der Fähigkeit, ein Thema der Öffentlichen Meinung zu inszenieren und mit dem Präsidenten positiv zu besetzen. Dieses politische Geschäft, die berüchtigten Niederungen, beherrscht er aber nicht allein. Gegenkandidat Neal und dessen Wahlkampfteam benutzen exakt die selben Strategien, versuchen sie doch, mit eigenen Werbespots das Thema der Präsidenten-Affäre zu setzen und zu verstärken. Was beide Seiten auf jeden Fall vermeiden müssen: Motivverdacht zu erregen. Da hat es Neal schwerer, denn jedem Wähler ist klar, dass eine Präsidentenaffäre kurz vor der Wahl dem Gegenkandidaten nutzen wird. Neal inszeniert daher das Thema „Ehre, Prinzipien und Glaubwürdigkeit“ als oberste Eigenschaften eines Präsidenten – nur hat dieses Thema im Vergleich zu einem Krieg auf der Agenda keine Chance. Auch als dem Gegenkandidaten längst klar sein muss, dass der gesamte Albanienfeldzug eine Lüge ist, würde es wenig nützen, dies einfach nur als Lüge zu bezeichnen. Ihm würde ja genau das selbe unterstellt werden können, selbst wenn er in diesem Fall die Wahrheit spricht. Daher auch sein Versuch, sich auf amtliche – quasi seriöse - Quellen der CIA zu berufen, um den offensichtlich gar nicht existierenden Krieg schnellstens zu beenden. Auch Neal ist bewusst, dass der Krieg (im Fernsehen, also in den Köpfen der Wähler) stattgefunden hat. Die Rolle der CIA in „Wag The Dog“ ist ungewöhnlich, wenngleich logisch. Auch die agency ist eine Organisation, die vorwiegend politisch und rechtlich kommuniziert. So sammelt der Geheimdienst Informationen, doch sind diese nicht für eine öffentliche sondern („umformuliert“) für die politische Kommunikation vorgesehen. Und selbstverständlich basiert die Arbeit der CIA auf rechtsstaatlichen Prinzipien, auch wenn sie gerade durch die Missachtung dieser Prinzipien in die Schlagzeilen gerät, mit der Folge, dass man ihr alles mögliche unterstellt – nur nicht rechtliche Kommunikation. Nicht so im Film. Hier erscheint die CIA als potenzielles rechtsstaatliches
Korrektiv, der das augenscheinlich verfassungsfeindliche Treiben von Brean
und Ames unterbinden will. Nachdem man beide (wie selbstverständlich)
eine Weile abgehört hat, werden sie zum „Verhör“
geladen (Ames zu Brean: „Ich habe eine dreijährige Tochter,
auf die eine Kieferoperation zukommt, erklären Sie es mir, was soll
ich tun?“). Und Brean findet einen Weg. Für die Politik ist der Kampf um Macht selbstverständlich. Abstrus mutet daher an, wenn die Präsidentenberaterin Ames bei der gesamten Inszenierung auf scheinbar Nebensächliches achtet: So kontrolliert sie akribisch, ob die Schauspielerin des Filmschnipsels von der Albanienfront auch keine illegale Einwanderin ist, und der Mähdrescherfahrer, der sie nach einem Flugzeugabsturz rettet, wird in einem offiziellen rechtlichen Schnellverfahren zum Bürger der USA erklärt („der Präsident darf nämlich keine illegalen Einwanderer beschäftigen“). Dies mag ein ironischer Seitenhieb auf ein zum Zeitpunkt der Filmentstehung prominentes politisches Thema sein, zeigt aber auch, dass Politik sich durchaus bestimmter (rechtlicher) Grenzen bewusst ist. Dies setzt freilich voraus, dass Ereignisse auch rechtlich geprüft werden können. Etwas unlogisch vermutet also Ames, dass die im Rahmen der Aktion abgeschlossenen Arbeitsverträge eher eine rechtlichen Prüfung unterliegen könnten, als die gesamte Inszenierung. Aber diese Unlogik passt gut zum schauspielerisch dargestellten Nervenbündel Ames.
Der Ruf nach Moral und die Politikwissenschaft Sind wir nun einem Politisch-Medialen Komplex hilflos ausgeliefert? Zum Glück ist es keineswegs einfach, die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu drehen. Das liegt nicht unbedingt primär an erstklassigen Reportern. Wer könnte heute schon ernsthaft einen virtuellen Krieg behaupten, ohne auf die unzähligen Mitarbeiter von NGO’s vor Ort Rücksicht zu nehmen, die stets das Gegenteil behaupten können? Welche Regierung kann sich tatsächlich sicher sein, dass bei größeren Inszenierungen keiner der Beteiligten eine kurze Darstellung der Geschehnisse im Internet veröffentlicht? Selbst wenn eine solche Täuschung gelingt (siehe die angeführten Gründe für den Irak-Krieg), sie ist selten von Dauer und geht mit nicht intendierten Folgen einher, die bei künftigen Inszenierungen zu berücksichtigen sind. Aber damit ist nicht gesagt, dass es keine mehr oder weniger erfolgreichen Versuche einer Einflussnahme auf die Öffentliche Meinung mehr geben wird. Im Gegenteil. Auch wenn der Film frei erfunden ist – er zeichnet doch in wesentlichen Aussagen eine ziemlich realitätsnahe Darstellung der modernen Gesellschaft nach, insbesondere die Interpenetration von Politik und Medien, die Themenkarrieren und Themensetzung der Öffentlichen Meinung und vor allem die Unfähigkeit des Mediensystems, Realität „wie sie ist“ abbilden zu können. Das mag man bedauern, deckt sich dieser Befund doch überhaupt nicht mit unseren Idealvorstellungen von Wahrheit, Demokratie, Freiheit, repräsentativem System und politischer Kontrolle. Es ist leicht, die Schuld für diese Entwicklung dem Mediensystem
zuzuschieben. So wirft auch Ames an einer Stelle im Film einen kleinen
Fernseher durch die Gegend, woraufhin Brean fragt: „Was hat ihnen
das Fernsehen getan?“ „Es hat den ganzen Wahlprozess zerstört“,
begründet Ames ihren Wutanfall. Noch leichter als den Medien die Schuld zu geben, ist es, nun nach einer neuen Moral zu rufen. Aber die Hoffnung, dass eine irgendwie geartete Differenzierung von gutem und bösem Verhalten eindeutig möglich sei und bei den medialen und politischen Kommunikationen weiterhelfen würde, mutet naiv an. Bleiben wir bei dem Film: Damit überhaupt eine moralische Wertung erfolgen kann, müsste der gesamte Hintergrund der Brean-Inszenierung erst einmal bekannt sein. Genau dies verhinderte die Art der Inszenierung. Mehr Moral, die selbstverständlich eine Kontrollfunktion innerhalb (!) der spezifischen Kommunikationsmedien besitzt, würde in diesem Fall gar nicht helfen. Dies betrifft auch die moralische Kontrolle des politischen Codes, auch hier setzt eine moralische Bewertung die sachliche Kenntnis voraus. Der Interpenetration von Politik und Medien (also von politischem und
publizistischem System) in Form der Öffentlichen Meinung ist mit
Moral ohnehin nicht beizukommen. Die einzige Chance wäre die Steigerung
von Kommunikation, die allerdings schlicht an der Aufnahmefähigkeit
der psychischen Systeme scheitern wird. Wenn schon Abgeordnete die kiloschweren
Details eines Gesetzes kaum vollständig erfassen können –
was kann man dann den Adressaten dieser Gesetze zumuten?
Dieser
Text darf frei kopiert und zitiert werden unter folgender Quellenangabe: |
|
|